Meisexibach Rüfarth&Co. Mimchen.
^KRG
SEN TERRASSE' AUS.
HEIDELBERG ^
UND
Umgebung
VON
Dr. KARL PFAFF
Professor am Gymnasium zu Heidelberg.
MIT 79 ILLUSTRATIONEN; 4 PLÄNEN UND 2 KARTEN.
HEIDELBERG.
VERLAG VON J. HÖRNING. 1897.
Alle Rechte für Text und Bilder vorbehalten.
Druck: J. Hörning, Universitäts-Buchdriickerei in Heidelberg. Gravüre und Autotypien: Meisenbach, Riffarth & Co. in München. Phönix-Kunstdruckpapier: Ferd. Fhnsch in Frankfurt a. M.
Vorwort.
I'fej/^^ beiden ersten Ausgaben der vorliegenden Schrift erschienen in den Jahren 1885 und 1889 auf Anregung des verstorbenen Rates Albert Mays mit Unterstützung des Heidelberger Stadtrates als Heft 87 — 88 der Sammlung „Europäischer Wanderbilder" bei Orell, Füssli & Cie. in Zürich. Bei der Abfassung derselben liehen dem Unterzeichneten freundlichen Rat ausser dem Obengenannten der gleichfalls verstorbene Dr. iur. Franz Mittermaier und die Herren Professor Dr. A. Koch und Dr. H. Stadtmüller hier.
Dass die vorliegende, dritte, umgearbeitete und erweiterte Ausgabe in Heidel- berg gedruckt und verlegt und heutigen künstlerischen Anforderungen entsprechend illustriert werden konnte, dankt der Verfasser weitgehender Opferwilligkeit der städtischen Verwaltung.
Nächst dieser ist er der „Kommission für die Geschichte der Stadt Heidelberg", insbesondere den Herren Oberbürgermeister Dr. K. Wilckens, Direktor Dr. A. Thor- becke, Universitätsbibliothekar Professor Dr. J. Wille und Stadtrat Friedrich Wolff, nicht minder den Herren Professor J. Henrici, Geh. Hofrat Professor Dr. O. Kariowa, Hofrat Professor Dr. F. Knauff, Bezirksbauinspektor J. Koch, Architekt F. Seitz, Ober- ingenieur Th. Walliser, Professor Max Wolf, Geh. Hofrat Professor Dr. K. Zange- meister und den Herren Direktoren der Institute und Kliniken der Universität Heidel- berg, sowie Herrn Professor Dr. Schultheiss in Karlsruhe für gütigen Rat und thätige Mitarbeiterschaft zu aufrichtigem Danke dauernd verpflichtet. Für die all- bekannte, zu keiner Stunde versagende Dienstbereitschaft der Grossh. Universitäts- bibliothek zu Heidelberg und des Grossh. Generallandesarchives zu Karlsruhe darf auch der Verfasser freudig Zeugnis ablegen. Wertvoll war ihm auch die Förderung, welche er von den verschiedensten Reichs-, Staats- und Gemeindebehörden erfahren.
Die Abschnitte „Die geologischen Verhältnisse" und „Die Flora Heidelbergs und seiner Umgebung" haben die Herren Professor Dr. A. Andreae, Direktor des Römer-Museums in Hildesheim, und J. Neuberger, Professor am Gymnasium zu Frei- burg, verfasst und in liebenswürdigster, selbstlosester Weise dem Verfasser für diese
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Schrift zur Verfügung gestellt. Es sei ihnen auch an dieser Stelle der wärmste Dank hiefür ausgesprochen.
Freundliches und dankenswertes Entgegenkommen bewies Herr Photograph K. Lange in Heidelberg durch Ueberlassung einer Reihe seiner ausgezeichneten photographischen Aufnahmen von Heidelberg und Umgebung zum Zwecke der Ver- vielfältigung durch Heliogravüre bezw. Autotypie, sowie Herr Hofphotograph O. Suck in Karlsruhe durch Ueberlassung einer seiner trefflichen photographischen Auf- nahmen Seiner Königlichen Hoheit des Grossherzogs zu gleichem Zwecke. Die Grossh. Domänendirektion in Karlsruhe und die Verlagsbuchhandlung von A. Berg- strässer in Darmstadt gestatteten gütigst die Benützung des Schlossplanes, welcher dem von J. Koch und Fr. Seitz veröffentlichten Werke „Das Heidelberger Schloss" beigegeben ist.
Verschiedene der den Illustrationen dieser Schrift zu Grunde liegenden photo- graphischen Aufnahmen dankt Verfasser der gefälligen Beihilfe des Herrn Professors Dr. M, Wolf sowie mehrerer seiner ehemaligen Schüler, besonders der Herren Walther Erb und Franz Samuely. Bezüglich seiner eigenen photographischen Auf- nahmen, welche, wie die eben erwähnten, zum Teil neue landschaftliche und archi- tektonische Motive oder erstmalige Aufnahmen von Architektur- oder Skulpturdenk- mälern darstellen, fühlt er sich den Herren Professor Dr. F. von Duhn und Apotheker M. Berberich für die erwiesenen Gefälligkeiten tief verpflichtet. Den Entwurf für das Bild der Einbanddecke schuldet Verfasser der Güte des Herrn Architekten Karl Hoffacker in Charlottenburg.
Schliesslich ist es dem Verfasser eine angenehme Pflicht, dem Verleger, Herrn Universitäts-Buchdrucker und Verlagsbuchhändler J. Hörning in Heidelberg, für das opferwillige Eingehen auf alle Wünsche bezüglich der Ausstattung dieses Werkes an dieser Stelle seinen Dank auszusprechen.
Möge diese Schrift durch Wort und Bild dazu beitragen, die alten Freunde Heidelbergs in ihrer Liebe zur Stadt zu stärken, neue Freunde ihr gewinnen.
Heidelberg, i. April 1897.
Der Verfasser.
Inhaltsübersicht.
(Die den Stichworten beigefügten Ziffern verweisen auf die Seiten des Buciies.)
Seite
1. Einleitung 1-3
2. Geschichte Heidelbergs und der Pfalz 5~39
Konrad von Hohenstaufen, Pfalzgraf 1146. Ludwig I. von Bayern, 1. Pfalzgraf aus dem Hause Wittelsbach (1214— 1231). Ruprecht 1. (1329— 1390), der Begründer des pfälzi- schen Kulturstaates, 5. — Ruprecht III. (1398— 1410), der deutsche König, Schöpfer von fünf Linien. Die „alte" Kurlinie 1410 — 1559: Ludwig III. (1410 — 1436). Ludwig IV. (1436— 1449). Friedrich I., der Siegreiche (1449— 1476), 6. — Philipp, der begeisterte Freund der Huma- nisten (1476— 1508), 7. — Ludwig V., der Friedfertige, der Haupt-Baumeister des Heidel- berger Schlosses (1508— 1544). Friedrich IL, der Fürst einer Uebergangszeit (1544 — 1556). Otto Heinrich, der grosse Reformator in Kirche und Schule, der Mäcen der Künste und Wissenschaften (1556— 1559), 8. — Die Simmern'sche Linie 1556— 1685: Einführung der Lehre Calvins; über die Machtmittel der Pfalz weit hinausgreifende äussere Politik unter Fried- rich III. (1559— 1576), Johann Kasimir (1583— 1592), Friedrich IV. (1592 — 1610) und Friedrich V. (1610— 1632), 9— II. — Die Katastrophe: Niederlage des Winterkönigs bei Prag. Schicksale Friedrichs V., der Pfalz und Heidelbergs im 30jährigen Krieg, 11 — 17. — Karl Ludwig, der tolerante „Wiederhersteller der Pfalz" (1648 — 1680). Seine wirtschaftliche Thätigkeit. Neu- gründung Mannheims als Handelsplatz. Wiederaufrichtung der Heidelberger Universität. Seine äussere Politik: Vermählung seiner Tochter Elisabeth-Charlotte mit dem Herzog von Orleans, dem Bruder Ludwigs XIV., 17—22. — Erlöschen der Simmernschen Linie mit Karl (1680— 1685). Vertragswidrige Erbansprüche Ludwigs XIV. auf pfälzisches Land. Der Orleans'sche Krieg (1688— 1697), 22. — Louvois Urheber der planmässigen Verwüstung der Pfalz und Heidelbergs. Sein Werkzeug Melac, 23. — Plünderung, Einäscherung und Zer- störung von Stadt und Schloss Heidelberg im Jahre 1689, 24—26. — Wiederinstandsetzung Heidelbergs und des Schlosses, Feige (verräterische?) Uebergabe von Stadt und Schloss durch Hedersdorf im Jahre 1693. Zweite, völlige Zerstörung Heidelbergs und seines Schlosses: Heidelberga deleta. Der PYiede von Ryswick, 27—30. — Die Kurfürsten der Neuburg'schen Linie: Philipp Wilhelm (1685— 1690), Johann Wilhelm (1690—1716) und Karl Philipp (1716— 1742). KathoHsche Reaktion. Streit um das Langschiff der Heiliggeistkirche. Verlegung der pfälzischen Residenz von Heidelberg nach Mannheim. Urteil Lise-Lottes in ihren Briefen, 31—34. — Pfalz-Sulzbach'sche Linie: Karl Theodor (1742— 1799). Wirtschaft- liche Scheinblüte. Verdienste um die Kunst, 34—36. — Pfalz-Birkenfeld-Zweibrücken'sche Linie: Max Josef (1799— 1803). Uebergang der rechtsrheinischen Pfalz mit Heidelberg und Mannheim an Baden : Der weise und edle Grossherzog Karl Friedrich von Baden, der zweite Gründer der Heidelberger Universität (1803— 1811). Karl (i8n — 1818). Ludwig (1818 bis 1830). Leopold (1830— 1852). Grossherzog Friedrich von Baden, 36—39.
Die Stadt 41- 64
Aelteste Siedelungen. Die Zeugen römischer Niederlassungen auf dem Boden des heutigen Neuenheimer und Bergheimer Stadtteiles, 41 und 42, vergl. 97—99. — Die Stadt „Heidelberg" im Mittelalter zum ersten Male urkundlich erwähnt im Jahre 1196, und zwar als Besitz des Bistums Worms; gelangt samt der „oberen Burg" (auf der Stelle der heutigen Molkenkur) als Lehen im Jahre 1225 an Ludwig, den ersten wittelsbachischen Pfalzgrafen, 42.
— Die ältesten Stadtteile: Bergstadt und Altstadt. Stadterweiterung unter Ruprecht IL: die Vorstadt. Aussehen Heidelbergs vor dem 30jährigen Krieg, 42 u. 43. — Die Zerstörung im 30jährigen, die Vernichtung im Orleans'schen Krieg. Wenige Reste aus der Zeit vor 1693. Die heutigen alten Stadtteile tragen das Gepräge des süddeutsch-italienischen Barockstiles des 18. Jahrh., 44—46. — Stadterweiterung im 19. Jahrh.: das Rohrbacher, Speyrer, Berg- heimer und Neuenheimer Stadtviertel. Einwohnerzahl, 46. — Heidelberg eine gesunde Wohn- stadt. Erfolgreiches Wirken der städtischen Verwaltung auch in sanitärer Hinsicht, 46—50. — Die Ziffern der amtlichen Krankheits- und Sterbestatistik kein Einwand dagegen, 50 u. 51, vergl. 97. — Natürliche Bedingungen für die günstigen sanitären Verhältnisse Heidelbergs: Geographische Lage. Klima. Mitteltemperaturen Heidelbergs im Vergleich zu Wiesbaden, Baden-Baden, Freiburg i. B. : Heidelberg ein Wohnort für Gesunde, ein klimatischer Kurort für Kranke der verschiedensten Art, besonders für Nervenleidende, 51—54. — Heidelberg keine Regenstadt, 54 und 55. — Heidelberg ein Hauptpunkt des Touristen- und Fremden- verkehrs, eine Congressstadt ersten Ranges, 55 und 56. — Geistiges Leben in Heidelberg: Wissenschaft. Bildende Künste. Musik. Theater. Schulen, 56—60. — Geselliges Leben. Sport, 60. — Heidelbergs Einwohner: Die Heidelberger Pfälzer. Wesen. Sitte. (Der Sommertag.) Sprache. Der Pfälzer Dialektdichter K. G. Nadler, 60—64.
Gang durch die Stadt 65 — 102
Der Bahnhof Die Rohrbacher Strasse: Das Kaiserliche Post- und Telegraphen- gebäude, 65. — Die Leopoldstrasse (Anlage): Der Neptunsgarten, 65. Der Stadt- garten. Das Nadlerdenkmal, 66. Das alte und neue Chemische Laboratorium. Das Phy- siologische Institut. Die Höhere Mädchenschule und das Lehrerinnenseminar. Die Heidel- berger Privatsternwarte, 67. Die (protestantische) Peterskirche und ihre Grabmäler, 68 u. 69.
— Die Grabengasse: Die Stadtpost. Das Museum. Die permanente Ausstellung des Kunst- vereins, 69. Die Universität mit der Aula, 70. Das Archäologische Institut, 71. Die Uni- versitätsbibliothek, 71—75. Die Kaserne. Die Oberrealschule, 75. Die (kathoHsche) Jesuiten- kirche, 75 u. 76. — Die Hauptstrasse: Der Ritter, 76. Die Heiliggeistkirche mit dem Grab- mal König Ruprechts, 76—79 Das Rathaus, 79—81. Das Karlsthor, 81 und 82. — Die Steingasse: Die alte Neckarbrücke. Thorbau. Denkmäler. Aussicht (Brentano). Der Hol- länder Hof und der „Engere", 82—85. " Die Haspelgasse. Die Hauptstrasse. Die (protestantische) Providenzkirche, 85 u. 86. Die Hydrotherapeutische Anstalt, 86. Der „Riese". Der Friedrichsbau mit den Siimmlungen des Mineralogisch-Geologischen Instituts. Die Ana- tomie, 87. — Grenze der alten und der neuen Stadtteile. Charakteristik letzterer, 88. — Pferdebahn. Strassendampfbahn, 89. — Die Sophien Strasse: Das Botanische und das Zoologische Institut, 89. — Die Gaisbergstrasse. Der Friedhof, 89—91. — Die Rohr- bacher Strasse, 91—93. — Die Bergheimer Strasse: Die akademischen Kliniken und Institute: Augenklinik. Chirurgische Klinik, 93. Zahnärzthches Institut. Medizinische Klinik. Apotheke. Poliklinik. Ambulatorische Klinik für Kehlkopf-, Rachen- und Nasenkranke. Pathologisch-anatomisches Institut, 94. Luisenheilanstalt (Kinderklinik). Hygienisches In- stitut. Irrenklinik. Frauenklinik, 95. Ohrenklinik. Der Botanische Garten. Privatkliniken, 97. Reste römischer Niederlassungen auf dem Bergheimer (und Neuenheimer) Stadtviertel, 97 bis 99. — Der städtische Central-Schlacht- und Viehhof, 99. Die Industrie Heidelbergs, 100.
— Die Sophienstrasse. Bismarckgarten. Bismarckdenkmal. Der Neckarstaden, 100. Gymnasium. Die neue Brücke. Aussicht von derselben, 102.
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Seile
5. Die Universität 103 — 128
Gründe und Veranlassung der Stiftung der Universität durch Ruprecht I. im Jahre 1386, 103. — Charakter aller Generalstudia, also auch des Heidelbergers, 103 u. 104. — Grün- dung, 104. — Die Weihe am 18. Oktober 1386, 105. — Organisation und Verhältnis der Univer- sität zur Kirche und den Landesherren bedingend für ihre äussere und innere Entwicklung, 106. — Materielle Grundlagen, 106 und 107. — Inneres Leben im 14. und 15. Jahrhundert: Die Herrschaft der Scholastik, 107. — Umgestaltung der Universität durch Otto Heinrich im Geiste des Humanismus und der Reformation. Bibliotheca Palatina, 107. — Blüte der calvinischen Universität unter den Pfalz-Simmern'schen Kurfürsten, 107. — Schicksale der Universität im 30jährigen Krieg, 108. — Wiederaufrichtung der Universität und ihre Blüte unter dem toleranten Karl Ludwig, 108. — Die Jahre 1689 und 1693, ~" Stagnation der Universität im 18. Jahrhundert, 108 und 109. — Neubegründung der Universität durch Karl Friedrich von Baden im Jahr 1803 (Ruperto-Carola) auf der Grundlage der Unabhängigkeit wissenschaftlicher Forschung von einseitig konfessionellem Standpunkte, 109. — Heidelberg und seine Universität mit einem Schlage ein geistiges Centrum. Die Romantik in Heidel- berg, 109 und HO. — Geschichte der einzelnen Fakultäten bezw. Disziplinen im 19. Jahr- hundert; Charakteristik ihrer hervorragendsten Vertreter, iii — 118. — Organisation der Universität in der Gegenwart, 118— 120. — Der Geist der akademischen Jugend Heidel- bergs. Geschichte des korporativen Wesens innerhalb der Heidelberger Studentenschaft von Beginn bis zu Ende des 19. Jahrhunderts. Gegensätze und Versöhnung: Einheit der Heidelberger Studentenschaft. Studentische Sitte und Brauch, 120—127. — Das 500jährige Jubiläum der Universität im Jahre 1886, 127 — 128.
6. Das Schloss 129 — 171
Die obere Burg (auf dem Molkenkurhügel) im Jahre 1225 erstmals urkundlich erwähnt, 1537 zerstört, 129. — Zwei Burgen zu Heidelberg erstmals urkundlich erwähnt im Jahre 1303, 130. — Die heutige Schlossruine, 130: i. Die Bauten vor Ludwig V. Aelteste Festungs- anlage. Der Krautturm (Gesprengter Turm). Apothekerturm. Glockenturm. Ruprechtsbau. Reste der übrigen ältesten Wohnbauten, 132—137. — 2. Die gotischen Bauten Ludwigs V. Der Frauenzimmerbau. Der Ludwigsbau. Wirtschaftsgebäude. Brunnenhalle. Bibliothekbau, 137— 141. — Zeughaus. Thorturm. Südwall. Westwall (Englischer Garten). Dicker Turm, 141 bis 144. Die späteren Festungsbauten, 144—145. Stilistischer und technischer Charakter der Bauten Ludwigs V., 145 und 146. — 3. Bau Friedrichs IL: Gläserner Saalbau, 146—147. — 4. Die Renaissancebauten Otto Heinrichs, Friedrichs IV. und Friedrichs V. Der Otto-Hein- richsbau, 149—155. Die der Zeit in ihm untergebrachte Städtische Kunst- und Altertümer- sammlung, 155—157. Friedrichs IV. Bau, 158—165. Friedrichs V. Bau (Englischer Bau), 165—166. Der Schlossgarten. Die grosse Terrasse. Scheffeldenkmal, 166—167. ~ 5- Der gotische Bau Johann Kasimirs, der Fassbau, 157 — 158. — 6. Lie Bauten nach der Zerstö- rung in den Jahren 1689 und 1693, 167. — Schicksale der Schlossruine im 19. Jahrhundert. Die lang erörterte Frage: Erhaltung der Ruinen als solcher oder Herstellung, mindestens der Renaissancepaläste? im Jahre 1895 mit Recht in letzterem Sinne entschieden, 167 — 171.
7. Die Umgebung 173 — 218
Allgemeines, 173 und 174. — I. Die Höhen links des Neckars, 174—179. i. Schloss, Molkenkur, Königstuhl, Sternwarte und Kohlhof, 174—177. 2. Grössere Spaziergänge im Heidelberger Stadtwald links des Neckars, 177 — 179. — II. Das Neckar-, Eisenz- und Schwarz- bachthal, 179— 191. Stift Neuburg, 179. Stiftsmühle. Ziegelhausen, Neckargemünd, 180 u. 181. Dilsberg, 181 u. 182. Neckarsteinach, 182 u. 183. Hirschhorn, 183 u. 184. Eberbach, 184. Katzen- buckel, 185. Zwingenberg, 185 u. 186. Hornberg, 186. Mosbach, 187. — Sinsheim. Burg Steins-
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berg, i88. Wimpfen. Kochendorf, i88. Heilbronn, 189. Weinsberg, 190. — Neidenstein. Neckarbischofsheim, 190 u. 191. — III. Der Odenwald, 191—203. i. Der Heiligenberg bei Hei- delberg, 191 u. 192. 2. Die Bergstrasse, 192. Handschuhsheim, 193. Dossenheim. Schriesheim, 194. Weinheim, 194 u. 195. Lindenfels. Heppenheim. Bensheim. K4oster Lorsch, 195—197. Schönberg. Auerbach. Melibocus, 197. Darmstadt, 197. 3. Kleinere oder grössere Spazier- gänge über die Höhen rechts des Neckars nach Orten der Bergstrasse oder des Neckar- thales. Weisser Stein. Schönau, 197 u. 198. 4. Tagesausflüge nach entfernteren Punkten des Odenwaldes, 199—203. Kailbach-Ernstthal-Schloss Wald-Leiningen, 199. Erbach, 199 u. 200. Michelstadt, Schloss Fürstenau, Einhardsbasilika zu Steinbach, Eulbacher Park, 200—202. Feste Breuberg, 202 u. 203. — IV. Die Rheinebene und die Abhänge des Neckarhügellandes, 203—215. Allgememes, 203—205. Edingen. Seckenheim. Ladenburg, 206. Mannheim, 206—208. Schwetzingen, 208 u. 209. — Rohrbach. Leimen, 209. Wiesloch, 210. Bruchsal, 210—214. Maulbronn, 214. — V. Die bayrische Pfalz, 216. — VI. Städte der weiteren Um- gebung Heidelbergs, 216. — VII. Mehrtägige Fusstouren, 217.
Seite
8. Die geologischen Verhältnisse Heidelbergs und seiner Umgebung (von
A. Andreae) 219 — 224
9. Die Flora Heidelbergs und seiner Umgebung (von J. Neuberger) . . 225 — 229 IG. Schluss 230 - 231
Quellen- und Litteraturnachweise finden sich für den Abschnitt „Geschichte Heidelbergs und der Pfalz" in den Anmerkungen der Seiten 5—39; für „Die Stadt" auf Seite 41, 42, 47, 54, 55, 62; für „Gang durch die Stadt" auf Seite 65 und 70; für „Die Universität" auf Seite 103, 104, III und 116; für „Das Schloss" auf Seite 130, 131, 147, 153, 155, 157; für „Die Umgebung" auf Seite 217 und 218; für „Die geologischen Verhältnisse Heidelbergs und seiner Umgebung" auf Seite 219.
Das Verzeichnis der Illustrationen, Pläne und Karten befindet sich auf der letzten Seite (232) des Werkes.
Alt Heidelberg, du feine, Du Stadt an Ehren reich. Am Neckar und am Rheine Kein' andre kommt dir gleich.
Stadt fröhlicher Gesellen, An Weisheit schwer und Wein, Klar ziehn des Stromes Wellen, Blauäuglein blitzen drein.
Und kommt aus lindem Süden Der Frühling übers Land, So webt er dir aus Blüten Ein schimmernd Brautgewand.
Auch mir stehst du geschrieben Ins Herz gleich einer Braut, Es klingt wie junges Lieben Dein Name mir so traut.
Und stechen mich die Dornen, Und wird mirs drauss zu kahl, Geb ich dem Ross die Spornen Und reit ins Neckarthal.
Scheffel.
Einleitung.
^J?e und je erstanden gottbegnadigte Persönlichkeiten, in welchen das beste Wollen und Können ihres Volkes und ihrer Zeit verkörpert erschien. Bewundernd und verehrend haben sich ihnen die Herzen der dankbaren Mit- und Nachwelt zugewandt, und Sage und Dichtung haben sie als ihre Lieblinge mit zauber- haftem Glänze verklärt. So scheint auch über manche Stätten die Natur das Füll- horn ihrer Reize und Segnungen in verschwenderischer Liebe ausgegossen zu haben, dass von jeher die Völker zu ihnen wie zu einem wunderthätigen Heiligtume wall- fahrten und sich ein reicher Kranz von Sagen und Dichtungen um sie gewunden hat.
Heidelberg gehört zu ihnen.
Hat doch, um Goethe für Alle sprechen zu lassen, „die Stadt in ihrer Lage und mit ihrer ganzen Umgebung, man darf sagen, etwas Ideales, was man sich erst deutlich machen kann, wenn man mit der Landschaftsmalerei bekannt ist, und wenn man weiss, was denkende Künstler aus der Natur genommen und in die Natur hineingelegt haben".
Dem Auge wohl jedes Beschauers offenbart sich, dass in dem Rahmen eines leicht übersehbaren Raumes sich eine Fülle von Gegensätzen in Farben und Formen zu einem harmonischen Bilde vereinigen: Das enge Thal, die weite Ebene; die reben- geschmückten Hügel; die waldbekränzten Höhen ; die grünen Fluten des Neckars, der silberblinkende Rhein; die ehrwürdige Schlossruine, die junge Stadt; die freund- lichen Dörfer in der Nähe, der majestätische Dom in der Ferne, vor den lichtblauen Bergen der Hart.
Gelegen in dieser herrlichen Gegend, bildet Heidelberg ein inhaltschweres Blatt im Buche der Geschichte: Stadt und Universität stellen in ihrer Entwicklung bedeutende Abschnitte unseres Kulturlebens dar; die Trümmer des Schlosses ge- mahnen an die Geschichte längst entschwundener Geschlechter, erzählen, als ehr- würdige Zeugen, von jenen Zeiten, da der Glanz der alten Kaiserkrone verblasste, von den trüben Jahren schmachvoller Erniedrigung, aber auch von jenem glor- reichen Tage, da der Kaiseraar der Hohenzollern mächtig in die Lüfte stieg.
Aus tausend Wunden blutete die Pfalz um ihren Glauben, durch Feindeshand sank hin die Stadt in Staub und Asche, das stolze Fürstenschloss zerfiel in Trümmer, ungeschirmt vom Vaterlande.
Auf den Hügeln, in dem Thale hat die gütige Natur die Spuren feindseliger Zerstörung rasch verwischt; ewig unverwüstlich lässt sie, die mit jedem Lenze sich verjüngt, immer wieder den reichsten Segen aus ihrem Schosse emporspriessen.
Geweckt und genährt durch sie hat die Regsamkeit und der Frohsinn der Bewohner aus Trümmern eine neue Stadt, aus Vernichtung neues Leben erstehen lassen.
Mitleidig hat der Epheu die klaffenden Wunden der Schlossruine umkleidet.
Und sie, „die gigantische, schicksalskundige Burg, nieder bis auf den Grund von den Wettern gerissen", möchte sie jemand mit dem herrlichsten Schlosse ver- tauschen? Französische Kenner und Künstler haben an der Schwelle dieses Jahr- hunderts den malerischen Charakter der Ruine, die kunstgeschichtliche Bedeutung ihrer Paläste geradezu neu entdeckt und wie eine Offenbarung verkündet und so durch ihre Bemühungen um die Erhaltung derselben, so viel an ihnen lag, wieder gut zu machen versucht, was ihre Väter an derselben verschuldet. Die nationale Wiedergeburt Deutschlands hat Herz und Sinn für die Denkmäler deutscher Kunst mächtig geweckt. Ehrwürdige Kaiserpfalzen sind aus dem Schutte erstanden, hehre Dome zur Vollendung gelangt. Auch dem Heidelberger Schlosse hat sich die Teil- nahme von Fürst und Volk in reichstem Masse zugewandt; ihr werden künftige
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Geschlechter die Erhaltung der weltberühmten Renaissancepaläste, des Otto-Heinrichs- baues und des Friedrichsbaues, zu danken haben.
Und ist nicht auch die Universität, einem Phönix gleich, aus Nacht und Ver- nichtung stets zu neuem Glänze emporgestiegen? Welche Fülle von Gesichten aus dem Kultur- und dem politischen Leben dieser gesegneten Pfalz wie des gesamten deutschen Vaterlandes bietet sich unserem Blicke dar, wenn wir das Buch ihrer nun mehr als einhalbtausendjährigen Geschichte aufschlagen! Was diese älteste Hochschule unseres deutschen Reiches in diesem wechselvollen Zeiträume gewirkt und gelitten, was wir bei der Betrachtung einer so reichen Entwicklung empfinden, wer vermöchte dies treffender, wer ergreifender zu schildern, als der erhabene Spross Kaiser Wilhelms I., da er bei der ewig denkwürdigen Feier des fünfhundert- jährigen Jubiläums am 3. August 1886 vor stolzer Festversammlung in der Aula der Universität also bezeugte :
„Begründet in der ersten Frühe unseres Kulturlebens hat die Heidelberger Universität alle die Schickungen an sich erfahren, welche dem deutschen Wesen im Ringen nach selbständiger Ausprägung verhängt gewesen sind. Sie hat abwechselnd geblüht und gewelkt, geduldet und gestritten um Glaubens- und Forschungsrecht, hat Trübsal und Exil ertragen, um endlich, gehoben von der starken und milden Hand ihres erlauchten Beschützers, die ehrenvollen Wunden mit dem Festkleide des Sieges zu decken. Wie dem deutschen Volke, um dessen höchste Güter sie sich redlich verdient gemacht, so ist auch ihr erfüllt, was Jahrhunderte ersehnten. Ihr Ehrenschild strahlt glänzender in der Sonne des einigen Vaterlandes!"
1*
Nr. 2. Ruprecht 1. (senior).
Statue am Friedrichsbau des Heidelberger Schlosses. Nach photographischer Aufnahme von C. Hertel in Mainz (1880).
. Ii:*
Geschichte Heidelbergs und der Pfalz.
|ie pfälzische Geschichte^) beginnt 1146 mit der Ernennung Konrads
von Hohenstaufen (Barbarossa's Bruder), des Herzogs in Rhein- franken, zum Pfalzgrafen. Mit Herzog Ludwig von Baiern, dem ersten Pfalzgrafen aus dem Hause Wittelsbach, tritt Heidelberg in die Geschichte der Pfalz ein: 1225 erhielt Ludwig die bisher bischöfliche Stadt von Worms zum Lehen. Er wie seine Nachfolger (ausser Rudolf L) vergrösserten unter kluger Ausnützung der allgemeinen politischen Verhältnisse ihren Besitz und Einfluss; wenige so sehr, wie Ruprecht L Ruprecht L war „einer der thatkräftigsten und achtungswürdigsten Reichs- fürsten, dem aber noch mehr der Ruhm eines der besten und tüchtigsten Landes- herren gebührt". Nach langen Kämpfen errang er von seinem Oheim, Kaiser Ludwig dem Baier, 1329 den Vertrag von Pavia, durch welchen die Rheinpfalz staatsrechtlich von Bayern getrennt ward (bis 1777 getrennt blieb) und die selbst- ständige politische Entwicklung der Pfalz ermöglicht wurde ; durch klugen Anschluss an Kaiser Karl IV. erwirkte er im Jahre 1356 die goldne Bulle, welche bestimmte, dass die Kurstimme mit allen Rechten samt dem Erztruchsessenamt unteilbares Eigentum der Pfälzischen Wittelsbacher sein sollte, und bewirkte, dass das pfälzische Haus in seinem Einfluss auf den Gang der deutschen Reichsgeschichte weitaus die bayrische Linie überragte. „Pfalz ist unter ihm gross geworden; er war ein muster- hafter Verwalter seines Landes; seine 60jährige Regierung war bereits von mo- dernem Geiste berührt; er verschuf der geistigen Strömung in seinem Lande Ein- gang: 77 jährig, selbst ohne gelehrte Bildung, gründet er im Jahre 1386 die Uni- versität Heidelberg. Ruprecht L ist der eigentliche Begründer des pfälzischen Kultur- staates" ^). In der herrlichen Statue „Ruprecht senior" am „Friedrichsbau" des Heidelberger Schlosses (sieh Abbildung Nr. 2) hat Meister Götz Wesen und Be- deutung des Fürsten in ergreifender Weise zum Ausdruck gebracht.
^) Ludwig Häusser, Geschichte der rhein. Pfalz. 2. Bd. Heidelberg, bei Mohr, 1845. ^) J.Wille, Ruprecht I., in: Ruperto-Carola, illustr. Festchronik zur V. Säkularfeier der Universität Heidelberg. Heidelberg, O. Petters, 1886, u. i. d. Allgem.j Deutsch. Biographie.
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Ruprecht III. bestieg gar den deutschen Königsthron; der Riesenaufgabe^ dem zerrütteten Reiche Ruhe und Ordnung wiederzugeben, war er nicht gewachsen , der Pfalz dagegen und seiner Residenzstadt Heidelberg ein väterlicher Fürsorger; in der Ahnenreihe des pfälzischen Fürstenhauses am „Friedrichsbau" ragt auch sein mildes Bild; der entzückende Reichsadler an dem sogenannten „Ruprechtsbau" deutet auf die doppelte Würde des Fürsten (Abbildung Nr. 3); die jetzige Heilig- geistkirche zu Füssen des Schlosses verdankt ihm ihre Entstehung.
Die Verteilung des Landes unter seine vier Nr. 3. Söhne rief fünf Linien ins Leben, von denen die
Der Reichsadler am Ruprechtsbau. „alte" Kurlinie bis 1559, die Pfalz-Simmernsche Nach photographischer Aufnahrae von K. Lauge ^ßQc regierte. Beide Zählten Verschiedene
in Heidelberg (1895).
treffliche Regenten, deren Bedeutung und Wirken zum Teil weit über die Pfalz hinaus reichte.
Ludwig III. (1410— 1436) ist durch seine Thätigkeit auf dem Konzil zu Konstanz (1414— 1418) bekannt: ihm, als oberstem Richter des Reichs, kam die Sorge für die öffentliche Ordnung, die Ueberwachung des abgesetzten (dann auf dem Heidelberger Schlosse gefangen gehaltenen) Papstes Johann XXII., die Voll- streckung des Todesurteiles an Huss zu.
Ludwig IV. (1436- 1449), „der biderbe, ehrliche und gottselige Fürst", trat mit grossem Eifer für das Baseler Konzil und den von diesem gewählten Reform- papst Felix V. ein und wirkte auch in den Beziehungen zu Frankreich bedeutsam als deutscher Reichsfürst. Als nämlich das Reich der Verheerung des Elsasses durch die Armagnaken ohnmächtig zusah und die Kurfürsten von Mainz und Köln gar mit Frankreich liebäugelten, rückte Ludwig IV. von der Pfalz auf eigene Faust in das Elsass und brachte den Söldnern bei Iiikirch eine bedeutende Niederlage bei. Gleichzeitig war er ein trefflicher Verwalter seines Landes, ein eifriger Förderer der Heidelberger Hochschule.
Wohl die volkstümlichste Gestalt unter den pfälzischen Fürsten war Fried- rich I. (1449— 1476), von seinem Volke der Siegreiche, von seinen Gegnern der „böse", der „tolle Fritz" genannt. Von allen Seiten angefeindet, vom Kaiser be-
droht, vom Papste gebannt, obsiegte er, ein Meister im Kriege, mit seinem allezeit schlagfertigen Heere (besonders in der ruhmreichen Schlacht bei Seckenheim 1462) über alle seine Feinde, behauptete und mehrte den pfälzischen Besitz und ordnete ihn durch eine Menge segensreicher Gesetze und ein strammes persönliches Regi- ment. Erholung von so vielen Mühen suchte und fand er im häuslichen Kreise bei der hochgebildeten Clara Dettin von Augsburg, mit der er eine morganatische Ehe geschlossen, um seinem Neffen Philipp, für den er als Vormund eingetreten war, nicht die Aussicht auf die Nachfolge zu benehmen. Er, der eine so ge- achtete und gefürchtete Machtstellung errungen, Hess sich im schlichten Büsserkleide in der Barfüsserkirche zu Heidelberg beisetzen. ^)
Sein Neffe Philipp, der Auf- richtige (1476 — 1508), war ganz vom Drange nach friedlicher Beschäftigung mit Kunst und Wissenschaft erfüllt. Er eröffnete durch Berufung hoch- berühmter Gelehrter, wie Dahlberg, Agricola, Celtes, Reuchlin, dem Hu- manismus Zugang zur Pfalz und wirkte dadurch von seinem Musenhofe auf dem Schlosse zu Heidelberg aus auf das Geistesleben von ganz Deutsch- land in ausserordentlicherweise; nur an seiner eigenen Universität konnte er infolge des Widerstandes derselben dem neuen Geiste keine Stätte be- reiten.
Nr. 4. Friedrich I., der Siegreiche. (?)
Nach einem Gemälde in der Städt. Kunst- und Altertilmer- sammlung auf dem Schlosse.
Die Statue dieses Herrschers am Friedrichsbau darf auf Porträtähnlichkeit wohl keinen Anspruch erheben, bringt übrigens den Charakter desselben vortrefflich zur Geltung. Das in der Städt. Kunst- und Altertümersammlung auf dem Schlosse befindliche, als Fried- rich I. bezeichnete Gemälde, eines der vorzüglichsten der Sammlung, ist nach Ansicht Professor H. Thode's nicht auf diesen Fürsten zu beziehen, weil es, nach dem Leben ge- malt und der Richtung Dürer-Baldung nahestehend, erst im Anfang des XVI. Jahrhunderts entstanden sei. (Sieh Abbild. Nr. 4.)
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In den bald darauf in Deutschland hervorgetretenen religiösen und politischen Gegensätzen war der tüchtig gebildete Ludwig V. (1508— 1544), der Hauptbau- meister des unteren Schlosses, unermüdlich auf Aussöhnung und Vermittlung be- dacht. „Stets über den Parteien stehend, und vielfach von der Notwendigkeit der geistigen und politischen Strömungen überzeugt, hing er dennoch treu am Alten, von der Reformation wohl hauptsächlich durch die Verbindung religiöser und poli- tischer Ideen abgestossen". Nur notgedrungen nahm er gegen die Reichsritterschaft und seinen Vasallen Sickingen Partei; erst nach vielen Vermittlungsversuchen unter- drückte er kräftig den Bauernaufstand (1525), bewährte aber den Besiegten sofort die angeborene Milde. Wesentlich sein Einfluss führte 1532 und 1541 den Frieden zwischen Karl V. und den Protestanten herbei. Mit Recht rühmte die Inschrift seines einst in der Heiliggeistkirche errichteten Grabmales: Pacifici nomen meruit, nannten ihn seine Biographen den „Friedfertigen". Sein Standbild schaut von den Trümmern des „Dicken Turmes" auf die herrlichen Linden herab, die heute den von ihm errichteten „Grossen Wall" beschatten.
Dem stäten Wesen Ludwigs ganz entgegengesetzt war das seines Bruders Friedrichs II. (1544— 1556) und seiner ihm geistesverwandten, „drei Königreich starken" Gattin, Dorothea von Dänemark, einer Enkelin Kaiser Karls V. Er liess sich nach Einführung protestantischer Neuerungen durch Karl V. zur zwangsweisen Zurückführung der alten Lehre bestimmen. Dies zwiespältige Wesen des einer Uebergangszeit angehörigen Herrschers verrät auch seine monumentale Schöpfung, der „Gläserne Saalbau" des Heidelberger Schlosses; das schöne Allianzwappen desselben zeigt Abbildung 5.
Die nur dreijährige Regierung seines Neffen Otto Heinrich (1556 bis 1559) wirkte auf allen Gebieten epochemachend : der Geist der neuen Zeit kam in Religion, Kunst und Wissen- schaft völlig zum Durchbruch. Ihm, der ganz Mann der Renaissance, ist keine Seite geistiger Thätigkeit fremd. Die klassischen Studien sind ihm völlig ver- traut, Mathematik und Astronomie pflegt er als Kenner und Liebhaber; Htte-
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rarisch thätig (vergl. das Tagebuch seiner -Orientreise v. J. 1521 und die Biographie seines Bruders), versucht er sich auch in der Herstellung mathematischer Instru- mente. Im Verkehr mit Liebhabern (Fugger) und Künstlern (Vischer, Beham) sucht er Anregung und strebt dahin, durch reiche Aufträge die Kunst zu fördern. ')
Bloss drei Jahre waren ihm zur Regierung in der Rheinpfalz vergönnt: sie genügten zu einer vollständigen Reformation von Kirche und hoher wie niedrer Schule, deren segensreiche Folgen bis heute fortdauern. Zwei Denkmale, deren Würdigung wir den folgenden Ab- schnitten vorbehalten, haben seinem Namen auf immerdar Unsterblichkeit geliehen: die Bibliotheca Palatina^) und der Otto -Heinrichsbau. Mit ihm er- losch die alte Kurlinie. Die Statue des Fürsten am Friedrichsbau wird in ihrer Wirkung wesentlich durch das Stahl- gewand beeinträchtigt, das für die äussere Erscheinung des Trägers wenig glücklich gewählt ist; unsere Abbildung (Nr. 6) giebt das von B. Beham gemalte Porträt wieder.
„Es war einer der folgenreichsten Vorgänge der deutschen Geschichte, dass die beiden Wittelsbachischen Hauptlinien, die kurpfälzische und die bayrische, gegenüber der Reformations- bewegung nicht das gleiche Verhalten wie die übrigen weltUchen Stände des deutschen Reiches beobachteten, und dass die bayrischen Wittelsbacher (ähnlich dem Pfälzer Ludwig V.) durch die Sorge vor Ungehorsam und Auflehnung des Volkes gegen die Obrigkeit und Fürsten, in- folge der neuen Lehre, und durch die Rücksicht auf ihre TerritorialpoHtik zum Festhalten an der alten Lehre bestimmt wurden". Für die Pfalz im besonderen
Hr.:
Nr. 6. Otto Heinrich.
Nach einem Gemälde Barthel Behams vom Jahr« Königl. Galerie zu Augsburg.
^) Vergl. die Arbeiten Robert Salzers.
2) Der Kürze halber gebrauchen wir diese, durch die Gelehrten in Umlauf gebrachte Benennung; der amtliche Name war „Pfälzische Landesbibliothek".
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wurde der von dem Nachfolger Otto Heinrichs, Friedrich III. (1559 — 1576); dem ersten Kurfürsten der Pfalz-Simmernschen Linie, vollzogene Uebergang von der lutherischen zur calvinischen Lehre in politischer Hinsicht folgenschwer. Denn da (nach dem Urteil F. Stieves)^) der Calvinismus die Kurpfalz im Reiche vereinzelte und den schwersten Gefahren auszusetzen schien, wurde die kurpfälzische Regierung zu jener „unruhigen, angreifenden und ebenso verworrenen, als weit über ihre Machtmittel hinausgreifenden Politik getrieben, die in der Schlacht am weissen Berge (1620) ihren wohlverdienten Ausgang fand".
Wenn Friedrich III. wirklich jedes politischen Verständnisses ermangelte, so war sein Eifer für die Lehre Calvins um so grösser. Auf das strengste überwachte er, auch persönlich, die Einführung der reformierten Lehre in der Pfalz, wie er be- sonders in Heidelberg und anderwärts alle von dem lutherischen Bekenntnis noch ge- duldeten Bilder und den Altarschmuck schonungslos aus den Kirchen entfernte, ver- anlasste Ursinus zur Abfassung des berühmten „Heidelberger Katechismus" ^), zog calvinistische Studenten aller Länder an die Heidelberger Universität, eröffnete den Hugenotten ein Asyl, deren einem, Belier, Heidelberg den den Stürmen von 1689 und 1693 entgangenen Renaissancebau des „Ritters" dankt, und trat auch mit be- waffneter Hand in Frankreich und den Niederlanden für die bedrängten Glaubens- genossen ein. Unerschütterlich in seinem Glauben, verteidigte er ihn so unerschrocken vor Kaiser und Reich auf dem Tage zu Augsburg, wo ihm sein zweiter Sohn, Johann Kasimir, die Bibel nachtrug, dass der Markgraf von Baden ausrief: „Was fechtet ihr diesen Fürsten an? Er ist frömmer, als wir alle!" Und mit solchem Eifer versenkte er sich in die dogmatischen Fragen, dass er „auf der Zusammenkunft protestantischer Fürsten zu Naumburg (1561)" von allen allein „die Bedeutung der verschiedenen Auf- fassungen der Abendmahlslehre zu erkennen" vermochte. Bei dem allmählich zu Tage tretenden Gegensatze des strengen und milden Calvinismus neigte er letzterem zu; nur einmal Hess er sich durch seine Geistlichkeit zur Härte hinreissen : Bei der Verurteilung des wegen Arianismus angeklagten Pfarrers Neusser und des Inspek- tors Sylvan.
Johann Kasimir, welcher nach der gemäss dem Satze „cuius regio, eins religio" alle Unterthanen treffenden lutherischen Reaktion unter Ludwig VI. (1576 bis 1583) für dessen minderjährigen Sohn Friedrich IV. die Regierung führte (1583
Beilage der Allgem. Zeitung 1892, Nr. 46. 2) Verschiedene Ausgaben desselben besitzt die Städt. Kunst- und Altertümersamm- lung auf dem Heidelberger Schlosse.
bis 1592), war auf der Bühne der europäischen Politik „ein ungeschickter und un- glücklicher Spieler" (er verband sich zum Schutze des Calvinismus mit Holland und den englischen und französischen Protestanten), als Landesherr aber verwaltete er sein Amt nach bestem Wissen und rettete die deutsche reformierte Kirche aus einer lebensgefährlichen Krisis.
Friedrich IV. (1592— 1610) zeigte für die Bedürfnisse seines Landes Ver- ständnis, auch an dem Leben und den Interessen der Hochschule nahm er persön- lichen Anteil. Den Geist seiner Zeit spiegelt der unter ihm entstandene Friedrichs- bau, das Wesen des Fürsten seih von J. Wille herausgegebenes Tagebuch aus den Jahren 1596 - 1599 wieder.
Der Ausgang des Kampfes, den der mit Elisabeth von England vermählte Friedrich V., seinen Neigungen, der Politik seines Vaters und der Stimmung des Lan- des entsprechend, durch die Annahme der böhmischen Königskrone (28. September
1619) mit dem Hause Habsburg aufnahm, konnte wenig zweifelhaft sein. Standen ihm doch gegen den Kaiser, Liga, Spanien u. a. zur Deckung seiner Stammländer nur Truppen der 1608 zur „Union" zusammengetretenen protestantischen Reichs- fürsten und englisches Geld als Verbündete zur Verfügung. Sein Schicksal war besiegelt, als nach der auf die Schlacht am Weissen Berge bei Prag (8. November
1620) folgenden Achtserklärung die Union, deren Truppen bis dahin die rheinische Pfalz gegen den spanischen General Spinola verteidigt hatten, sich auflöste und der Besiegte vom Haag aus dem Kaiser nur unannehmbare Forderungen betr. Böhmen stellte. Trotzdem bevollmächtigte der „Winterkönig" den Grafen Mansfeld, mit ge- worbenen Truppen den Kampf fortzusetzen; dieser zog von der Oberpfalz an den Rhein und brandschatzte bischöflich speyrisches und pfälzisches Gebiet, während sich General de Veere mit den pfälzischen und den angeworbenen holländischen und englischen Truppen in Mannheim und andern pfälzischen Städten hielt. Jetzt zog General Tilly aus der Oberpfalz zur Verfolgung Mansfelds herbei und beschloss mit dem spanischen General Cordova (November 1621) den Angriff auf Heidelberg. Der Winter hemmte einstweilen den Vollzug. Plötzlich schien der bei dem Mangel an Mitteln doppelt verzweifelten Sache Mansfelds und seines Herrn Rettung zu kommen. Aber die Hoffnung, welche das unerwartete Auftreten Christians von Braunschweig und des von frommem Eifer getriebenen Markgrafen Georg Friedrich von Baden-Durlach erweckte, wurde nach dem anfänglichen Erfolge Mansfelds bei
^) Die Porträtstatuen Friedrichs III., Ludwigs VI., Johann Kasimirs und Friedrichs IV. schmücken die Nischen des Erdgeschosses des Friedrichsbaues.
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Mingolsheim (Wiesloch); 27. April 1622, durch die Niederlagen jener beiden bei Wimpfen (6. Mai 1632) und Höchst völlig zu nichte. Der aus dem Haag herbei- geeilte Geächtete musste wieder das Land seiner Väter verlassen. Jetzt endlich konnte sich Tilly gegen die Festungen Heidelberg, Mannheim und Frankenthal wenden.
Die „Instruktion Ihrer königl. Majestät in Hispania an Don Spinola" enthielt u. a. den Befehl, nach der Einnahme und Besetzung Mannheims „auff Heydelberg zu rücken, welches Stättlein, weil es schlecht verwahret, desto weniger Müh zu erobern kosten wird". Die gleichzeitigen bildlichen Darstellungen von Stadt und Schloss Heidelberg und der Verlauf der Ereignisse bestätigen, dass die Ansicht des Feindes nur zu sehr begründet war: Ein Blick auf Merians Panorama vom Jahre 1620 (sieh Abbild. Nr. 7) zeigt das untere (heutige) Schloss und die Stadt wohl bewehrt mit Mauern und Türmen und durch Schanzen auf dem Hügel östlich des Fasanengartens (in der Gegend des heutigen Schlosshotels), auf dem kleinen Gaisberg (auf der Stelle des im Jahre 1537 durch eine Pulverexplosion zerstörten oberen Schlosses, wo heute die Wirtschaft „Molkenkur"), an den Abhängen des grossen Gaisberges (Trutzkayser und Trutzbayer), endlich am nördlichen Ende der (alten) Brücke, — ein die Festungswerke genau verzeichnender, wohl einst für Friedrich V. bestimmter Stadtplan vom Jahre 1622^) bestätigt die Angaben des Merianschen Panoramas — aber un- begreiflicherweise waren die Schloss und Stadt völlig beherrschenden Höhen des Königs- stuhles und des grossen Gaisberges nicht in das Befestigungssystem einbezogen und sogar die Vorwerke am Heiligen Berg, die „äusserste Schanz", wieder aufgegeben worden. (Ueber die Festungswerke des Schlosses vergleiche den späteren Abschnitt „Das Schloss".) Dazu kam, dass die Festungswerke, welche die Stadt im Westen, nach der Rheinebene zu, decken sollten, bei der Annäherung Cordovas im Jahre 1621 noch gar nicht vollendet waren; erst da „finge man an, wie wohl zu spat, diese Haupt- und Residentzstadt zu befestigen, die 1601 angefangene Mauren an der Vorstadt zu Ende zu bringen, und den neuen Wall . . . vom Trutzkayser biss an den Necker mit grösserem Fleiss und Arbeit zu verfertigen . . ."
Vielleicht war die Ueberzeugung von der Unhaltbarkeit des Platzes mit der Grund, dass schon 1620 bei dem Anrücken Spinolas „die meisten Räte, Professores, Studenten und reiche Bürger" flohen und die Einnahme der Städte an der Bergstrasse durch Cordova im Jahre 1621 in Heidelberg noch grösseren Schreck hervorrief: „Die Universitäts- und Rats- collegia wurden zerstreut, die Professoren und fürnehmbsten Bürger flohen nach Bretten und änderst wohin". In erfreulichem Gegensatze hiezu steht das Verhalten des Kommandanten Heinrich von der Merven, welcher auf Tillys Aufforderung zur Uebergabe (28. Oktober 1621) die schriftHche Erklärung abgab: Friedrich V. habe die Pfalz General de Veere über- geben und dieser ihm die Stadt Heidelberg vertraut, „die ich auch mit der Hülff Gottes bis an den letzten Tropffen meines Bluts vor aflem Gewalt gedenck zu beschützen. So nun E. G. oder jemands anders Lust oder Appetit möchten haben hievon ein Prob zu nemmen, sollen dieselben befinden . . , dass die Guarnison in dieser königl. Residentz-Statt nit weniger von courage ist, als die Frankenthaler gewesen seyn".^)
Tilly verwüstete im Frühjahr 1622 zunächst die Umgebung Heidelbergs, nahm Rohr- bach, Wiesloch, Sinsheim und Neckargemünd, belagerte vergebens die von Barth. Schmid
^) Vergl. Zangemeister in „Mittheilungen des Heidelberger Schlossvereins", II. S. 290 und Tafel XXXVII.
-) Relatio obsidionis Heidelbergensis. Das ist: Kurtze unparteyische Erzehlung der Belägerung und Einnehmung der Stadt Heydelberg. Franckfurt 1622.
Nr. 7. Panorama von Hei
Nach einem Stiche von Matthäus Merian in der Städt.
Erklärung d
I. Das Churfürstliche Schloss. 2. Churfürst Fridrich dess vierdten newer Baw. 3. Der dicke Thum. 4. Weinfass ligt. 7. Der newe Garten. 8. Der Pomerantzengarten. 9. Der alte Churfürstl. Garten. 10. Ul hoff. 13. Das Oberthor. 14. S. Jacob. 15. Das Barfüsser Closter. 16. Die Cantzley und Hoffgericht. 21. Das under Thor. 22. Das CoUegium Casimirianum. 23. Der Diebsthurn. 24. Das Augustiner Clo.^ die Bursch (und Auditorium Philosophicum). 26. Der Juristen unnd Medicorum Collegium. 27. Die Bi
32. Der Seegarten. 33. Die Speyrer Pfordt. 34. Das
[Iberg im Jahre 1620.
F nst- und Altertümersammlung auf dem Schlosse, i Zahlen:
;is Zeughauss. 5. Das new Ballenhauss. 6. Der Altan, darunter das wundergrosse, weitbeschreite oHebene Maurstücker vom alten Schloss. 11. Der Stifft zum H. Geist. 12. Der Schönawer Münch- [ Die Müntz. 18. Das Kauffhaus. 19. Das Keffig oder Frawenthurn. 20. Der Churfürstl. Marstall. t (Collegium Sapientiae und Auditorium Theologicum). 25. Das Contubernium Academicum oder k. 28. S. Peters Stifft. 29. Das newe Schiesshauss. 30. S. Anna Kirchhoff. 31. Der Trutzkaiser, lediger Closter, jetzo der Reiche Spital genennt.
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tapfer verteidigte Bergfeste Dilsberg] und eröffnete am i. Juli 1622 den Angriff auf Heidel- berg. Nach einem misslungenen Versuch, vom Heiligenberg aus die Stadt zu nehmen, ver- legte er am 8. Juli sein Hauptquartier von Handschuhsheim nach Leimen, behufs Blokade der Stadt, und am 23. August nach Wiebhngen a. N. Jetzt begann Tilly gleichzeitig im West, Süd und Ost, am Trutzkayser, vom grossen Gaisberg aus und oberhalb des Fasanengartens, anzugreifen, erfuhr aber tapferste Gegenwehr .... „Den 31. ist das Glockenläuten und Uhrenschlagen in der Statt abbestellt worden und haben die Bayrische wider mit Anbruch dess Tages durch ihre Stücke den Belagerten ein guten Morgen gebotten und seynd . . zween Soldaten in der Kettengassen durch eine halbe Carthaunekugel die Köpff hinweg ge- schmissen worden, welche die ersten gewesen, so durch das Geschütz umbgebracht; Nachts umb IG Uhren wider dapffer mit Stücken Fewer in die Statt geben; folgende Tag haben die Bayerische ihre Approchen mit Ausswerffung der Lauffgräben und Linien unten am Berg her zwischen den Weingarten und der Rohrbacher Strass gegen der Statt zu und gegen dem Eckbollwerck bey dem blawen Thum (am heutigen Gymnasium) unnachläss- hch continuirt und ziemUch nahe kommen, ungeacht die Belagerten der ends zu under- schiedhchen mahlen aussgefallen und sie von dannen getrieben". Die Belagerten erwiderten unter der umsichtigen Leitung des Kommandanten das Feuer aufs heftigste und machten Ausfall auf Ausfall ; was half aber alle Bravour, als es den Feinden gelang, ihre Geschütze auf den Gipfel des Gaisbergs und auf den Königstuhl zu bringen, und sie von oben herab die Festungswerke und Vorwerke in Trümmer schössen, und vollends, als Tilly noch be- deutende Verstärkung an Geschützen und Mannschaft erhielt?
Am 6. September ging „der Generalsturm zugleich an allen Kanten und Schantzen der Statt mit viel hundert Leytern und stätiger Erfrischung und Sekundierung der Stürmenden wiederumb an, der in die zwo Stund lang gewehret, und haben sich zwar die Belagerten dapffer gewehret, besonders die Engel- und Niderlander uff dem Fasanengarten . . . und dann die Niderlander und Teutschen uff dem alten Schloss, also dass sie an diesen zweyen Orten gäntzhch ablassen und weichen müssen, wie nit weniger uff der Batterie am Necker vor der Speyrpforten, da sich die Landtschadische Company also dapffer gehalten, dass sie die Bayerischen . . . weit ins Feld hinauss getrieben und verfolgt hat". Unterdessen ward aber der ganzHch zerschossene Trutzbayer und Trutzkayser genommen, der Südwest- wall erstiegen und die dortigen Verteidiger gleichzeitig vom Gaisberg aus mit einem Hagel von Geschossen überschüttet; „also die Belagerte der ends, weil sie insgemein zu so weit- läufftiger Statt und Fortificationen zu schwach, auch durch unnachlassiges, langes Wachen gantz ermattet gewesen und kein Entsatz oder Umbwechsel gehabt, theils erlegt, theils ver- jagt wurden", bemächtigten sich die Bayrischen der Vorstadt und drängten sofort in die Altstadt nach, „da mehrteils Bürger ihre Posten verlassen und uff ihre Zunfftstuben umb zu deliberiren zusammengeloffen . . . ." Von der Merven bot sich jetzt „zu Verhütung der Plünderung und Niederhawung des Volcks zu parlamentiren" an, ward aber abgewiesen.
„Ist also das Plündern mit Massacrirung und Vergiessung vieles unschuldigen Bluts mit Däumelung, Knebelung, Brügelung, Peinigung und Rantzionirung der Innwohner, mit Hin- wegführung der Weiber und Jungfrawen, mit Abbrennung vieler Gebäw der Statt ... bis in den 3. Tag hinauss continuirt worden". Der Rest der Besatzung hatte sich mittlerweile mit dem Kommandanten aufs Schloss gezogen. Auf entsprechende Anfrage Tillys er- widerte von der Merven, „seine Intention were, wans möglich wäre, das Schloss noch IG Jahr zu defendiren" und verwies ihn im übrigen an den Höchstkommandierenden Veere in Mannheim. Da dieser die Entscheidung völlig Merven anheim stellte, auf Entsatz aber nicht zu hoffen war, beschloss dieser mit seinem Kriegsrat, „ein ehrlichen Accord zu treffen".
Die von Tilly zuerst aufgesetzten „Articul kamen dem Herrn Gubernatori etwas frembd und unreputirlich vor"; er erklärte, „lieber zu sterben und sich eher in tausendt
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Stücker zerhawen zu lassen, ehe er solchen Accord eingehen wolte". Schliesslich gestand Tilly zu, dass nach Uebergabe von „Schloss samt Geschütz, Munition u. s. w., Mobilien, Brieffliche Urkunden und Documenten, Kleinodien, was Ihrer F. G. Herren Pfaltzgraffen und Princessin dero F. Gemahl zuständig, dem Herrn Gubernatorn, allen dessen Obristen u. s. w., auch gemeinen Soldaten mit fliehenden Fahnen, brennenden Lunden, Kugeln im Mund, Ober- und Underwehr, auch ihrem Sack und Pack .... freyer Pass vergünt sey und zu dem Abzug sicher Geleit . . Der Sieger stellte von der Merven und seinen Leuten, die er zum Schutz vor seiner eigenen Soldateska ritterlich bis Weinheim geleitete, beim Abschied das Zeugnis aus, „dass er bey seinem Gubernament gethan hab wie ein redtlicher tapffer Cavallier thun solle und dass er solchen seinen Fleiss und Tapfferkeit allenthalben Zeit lebens rühmen wolte". Viele seiner Soldaten wunderten sich aber sehr über die geringe Anzahl der Abziehenden und äusserten, „dass es ein Schand wehre, dass sie sich von so einer handtvoU Volcks so lange Zeit über hetten auffhalten und quelen lassen".
Der Einnahme Heidelbergs folgte die von Mannheim und die Uebergabe von dessen Feste Friedrichsburg; Frankenthal widerstand einstweilen, und so Hess Tilly, „weilen in der Pfaltz alles verderbet, verwüstet und verzehret", sein Heer z. T. in der Wetterau Winter- quartiere beziehen; März 1623 ergab sich auch Frankenthal und damit war die ganze Pfalz unter spanischer und bayrischer Botmässigkeit.
Am 25. Februar 1623 ward Herzog Maximilian von Bayern feierlich mit der (pfälzischen) Kurwürde belehnt und mit der Verwaltung der Kurpfalz betraut. Er begann sich alsbald häuslich einzurichten; an die flüchtigen Städter war schon 1622 der Befehl zur Rückkehr ergangen, an die Bauern, ihr Feld zu bestellen; die Güter der Fernbleibenden wurden ein- gezogen. Bald begann, wie in der ganzen Pfalz, so besonders in Heidelberg als „der Cal- vinisten fürnembsten Asyl